Hirse, die unbeachtete Ernährerin

Eine Hirsetagung beim VERN e.V.

von Isabel Rosen

Am 11. August 2023 traf sich auf der Versuchsstation in Wilmersdorf bei Angermünde eine bunt zusammengesetzte Gruppe zur Hirsetagung, die vom VERN e.V. organisiert wurde. Die Gruppe bestand aus Praktikern, Beratern und Verwaltungsangestellten aus dem landwirtschaftlichen Bereich und an der Hirse Interessierten mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Im ersten Teil der Hirsetagung fand eine Feldbeschau von 23 Hirsearten und -sorten statt. Das Saatgut für den Feldanbau wurde vom Hirse-Paradies zur Verfügung gestellt. Der zweite Teil der Hirsetagung fand dann im Seminarhaus des VERN e.V. statt. Dort wurden drei Expertenvorträge zur Hirse vorgetragen und es fand eine Fachverkostung unterschiedlicher Hirseprodukte statt. Die Hirsetagung wurde anlässlich des von der Food and Agricultural Organisation (FAO) ausgerufenen Jahr der Hirse veranstaltet und durch Mittel des ELER, des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburgs und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.

Über die Hirse

Die Bezeichnung Hirse ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Gattungen aus der Familie der Süßgräser, die aktuell hauptsächlich im afrikanischen und asiatischen Raum angebaut werden. Auf der Versuchsstation werden 23 Sorten von Rispenhirse, Kolbenhirse und Sorghum angebaut und deren Entwicklung, Ertrag und die Fähigkeit zur Beikrautunterdrückung beobachtet. Die Eigenschaften der Hirsearten und -sorten, das Anbauverfahren und die Anbauwürdigkeit der Hirsen wurde erklärt und die Fragen dazu beantwortet. Dabei wurden die Teilnehmenden durch die Reihen geführt und zu einer sinnlichen Erfahrung durch Sehen, Tasten und Schmecken der unterschiedlichen Hirsen angeregt.

Hirsen kommen gut mit schlechteren Böden und trockenen und heißen Klima zurecht, allerdings sind sie sehr frostempfindlich und dürfen erst nach den letzten Spätfrösten ausgesät werden. Da die Hirsen eine Kulturdauer von etwa 90-135 Vegetationstagen bis zur Ernte haben, kann auch bei einer späteren Aussaat mit einer erfolgreichen Ernte gerechnet werden. In der Jugendphase sind die Hirsen anfällig für Konkurrenzpflanzen. Wenn der Druck hoch ist, wird das Striegeln im 4- bzw. 6-Blattstadium empfohlen. Nach der Jugendphase haben Hirsen i.d.R. eine sehr gute Unkrautunterdrückung, was auf den Versuchsparzellen in Wilmersdorf gut zu sehen war. Die meisten Parzellen mit Hirse waren außerordentlich sauber im Vergleich zu den restlichen Parzellen auf der Versuchsstation. Die Ernte der Hirsen kann mit einem normalen Mähdrescher erfolgen, der hoch eingestellt wurde, um vor allem die Rispen/ Kolben. zu ernten.

Von der Pflanze können nicht nur die Körner einen wertvollen Beitrag für die menschliche Ernährung leisten, sondern die ganze Pflanze kann als Silage o.ä. verwendet werden. Wenn die Hirsen noch jung sind, sind die Stängel sehr zuckerhaltig, weswegen es sich als Futter für laktierende Milchkühe eignet. Die Hirsekörner haben einen hohen Gehalt an lebensnotwendigen Nährstoffen: viele Aminosäuren dank der bis zu 18% Proteingehalt, B-Vitamine, Carotine, Kieselsäure, Magnesium, Zink, um an dieser Stelle nur einige zu nennen. Zudem enthalten Hirsen kein Gluten und sind für eine glutenfreie Ernährung geeignet. Dennoch enthalten Hirsen andere Klebeeiweiße, weswegen ein backfähiges Mehl aus ihnen hergestellt werden kann. Aus diesen Gründen werden die Hirsen als altes Grundnahrungsmittel wiederentdeckt und erfreuen sich zunehmend der Beliebtheit. Der Nachteil am Hirseanbau für die menschliche Ernährung ist die notwendige aufwendige Reinigung und Schälung der Hirsekörner, die zur Zeit in Deutschland nur von wenigen Mühlen angeboten wird und bei der es zu einem deutlichen Verlust des Ernteertrags kommt. Daher sind ungeschälte Hirsen als Futtermittel besonders attraktiv, da es sich um ein gesundes Kraftfutter handelt, was regional erzeugt werden kann.

Teilnehmende der Hirsetagung und Parzellen des Hirse-Sichtungsanbaus (Foto: Isabel Rosen).

Hirsekörner unterschiedlicher Gattungen, Arten und Sorten (Foto: Isabel Rosen).

Überblick über die Vorträge

Im zweiten Teil der Hirsetagung wurde im Rahmen von drei Expertenvorträgen auf die Kulturgeschichte des Hirseanbaus in Europa eingegangen, auf die aktuelle Perlhirsezüchtung in Afrika und auf aktuellen Anbau von Hirse in Brandenburg. Nach den Vorträgen gab es Zeit für Fragen und Diskussion.

Zur Kulturgeschichte der Hirse trug Rudolf Vögel vor. Die frühesten Nachweise in Mitteleuropa liegen bei 4000 v.Chr., die Hirse kam über die Seidenstraße nach Mitteleuropa. Die Hirse diente als Grundnahrungsmittel und wurde zu Brei, (Fladen-)Brot, Bier, Spirituosen und als Futtermittel verwendet. Es gibt viele Nachweise zur Koch- und Alltagskultur aus dem Mittelalter. Der Anbau von Hirsen wurden im 19. Jahrhundert vom Kartoffelanbau verdrängt, sodass nur noch auf ertragsschwachen, sandig-trockenen Gebieten die Hirse angebaut wurde. Im 20. Jahrhundert verschwand der Hirseanbau weitestgehend aus Europa. Sie wird aktuell wiederentdeckt als Energiepflanze, Futterpflanze und für die menschliche Ernährung.

Der zweite Vortrag wurde gehalten von Dr. Klaus Fleißner von der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Im südlichen Afrika wurde Ende des 20. Jahrhunderts ein Züchtungsprogramm für Perlhirsen durchgeführt. Das Ergebnis war die Zulassung von 32 verbesserten Sorten und Hybriden aus Sorghum und Perlhirsen in acht Ländern des südlichen Afrikas. Es erhöhte sich der Kornertrag, die Hirsen begannen früher zu blühen und wuchsen auch nicht mehr so hoch wie die alten Sorten, die durchschnittlich zwei Meter hoch wuchsen. Im südlichen Afrika sind die Hirsen bis heute ein Grundnahrungsmittel, was als Brei, Brot und Bier und weiteren Produkten von einem großen Teil der Bevölkerung täglich gegessen wird. Die langen Stängel werden z.T. zum Bauen verwendet wie Bambus. Eine dieser neuen Sorten Perlhirse wurde im Projekt FutureCrop in Bayern angebaut, was von der bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft begleitet wurde. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Anbau waren auf mehreren Standorten in Bayern erfolgreich. Die Hirse bevorzugt gut durchlüftetete, tiefgründige und leichte Böden und ist auch salztolerant. Die Hirse ist extrem trockentolerant und bildet ein Wurzelwerk in bis zu drei Meter Tiefe.

Zur aktuellen Lage des Anbaus von Hirse trug Jörg Große-Lochtmann von der Marktgesellschaft Naturland Bauern AG vor. Der Anbau von Hirse läuft in Deutschland als Sonderkultur, die nur kleinflächig angebaut wird. Der Großteil der in Deutschland angebauten Hirse wird für Babynahrung und eine glutenfreie Ernährung verwendet. In beiden Fällen müssen strenge Tests auf giftige Verunreinigungen z.B. mit Alkaloiden aus Nachtschattengewächsen bzw. auf Gluten vorgenommen werden. Der Anbau von Hirse kann sich lohnen, sowohl monetär auch als eine Anpassung der Fruchtfolge an den Klimawandel insbesondere in Brandenburg. Jedoch sind auch Risiken mit dem Anbau verbunden. Es braucht eine sorgfältige Reinigung und Trocknung, da bei der Hirseernte Beikrautsamen mitgeerntet werden und die Ernte erfolgt, wenn die Hirse noch nicht in der Totreife ist, weil sonst die Körner leicht aus ihren Hüllen fallen. Nach der Ernte muss es gut gelüftete Lagerräume geben, da der Absatz der Hirse ein paar Wochen dauert aufgrund der Tests, die vor dem Verkauf durchgeführt werden müssen. Sollten die Lagerfähigkeiten nicht gut genug sein, kommt es schnell zu einer Belastung mit Mykotoxinen durch die Lagerung.

Einblick in die Fachvorträge im Seminarhaus vom VERN e.V. (Foto: Rudolf Vögel)

Verköstigung zum Schluß

Bei der abschließenden Verkostung konnten die Teilnehmenden die handelsübliche Goldhirse in mehreren Formen probieren. Von Horst Buchali wurden vier Hirse-Brote mitgebracht, die in unterschiedlichen Anteilen Hirse enthielten. Der Koch Otto Pfeiffer bereitete drei einfache Hirsegerichte zu von salzig bis süß.

Verschiedene Brote mit unterschiedlichen Hirseanteilen, auch komplett glutenfrei (ganz rechts) (Foto: Isabel Rosen).

Danke

Wir freuen uns über die rege Teilnahme an der Veranstaltung und danken allen Beteiligten, die an der Organisation und Durchführung der Veranstaltung gearbeitet haben.

Verkostung mehrerer Hirsegerichte zubereitet von Koch Otto Pfeiffer (Foto: Rudolf Vögel)

Die Veranstaltung ist ein Beitrag zum von der FAO ausgerufenen „Internationalen Jahr der Hirse 2023“, weitere Informationen unter: www.fao.org/millets-2023/en.

Gefördert aus Mitteln des ELER, Mitteln des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

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