Von der Wiederentdeckung
traditioneller Erdbeersorten
Fragaria chiloensis (Decaisne, 1862)
Alte Sorten neu gefunden:
Die Wiederentdeckung von traditionellen Erdbeersorten
von Dr. Dora Pinczinger
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Geschichte der Gartenerdbeere
Entstehung
Die Gartenerdbeere, wissenschaftlich bekannt als Fragaria ×ananassa, ist das meistverkaufte Beerenobst in Europa. Ihre Beliebtheit verdankt sie nicht nur ihrem charakteristischen Aroma, ihrer leuchtend roten Farbe und ihrer Süße, sondern auch ihrem hohen Nährwert. Die Gartenerdbeere wird nicht nur im kommerziellen Anbau geschätzt, sondern auch weltweit gerne in Privatgärten angepflanzt. Doch wie ist diese beliebte Kulturpflanze entstanden und wie hat sie ihren Weg in unsere Gärten gefunden? Auf die folgenden Seiten wird die faszinierende Geschichte der Gartenerdbeere beschrieben.
Die Gartenerdbeere gehört zur Gattung Fragaria, zu dem auch weiteren Arten gehören, deren Früchte verzehrt werden. Die Walderdbeere (Fragaria vesca) und die Moschuserdbeere (Fragaria moschata) sind in Europa heimisch, während die Scharlacherdbeere (Fragaria virginiana) und die Chile-Erdbeere (Fragaria chiloensis) in Nord- und Südamerika beheimatet sind (Bild 1).
Die Gartenerdbeere ist eigentlich keine natürliche Art, sondern eine Hybride, die aus einer Kreuzung von zwei verschiedenen Erdbeerarten entstanden ist. Obwohl diese Kreuzung auch in der Natur stattgefunden hat, wo sich die Verbreitungsgebiete beider Elternarten überschnitten, spielten diese Pflanzen in der ursprünglichen Entwicklung unserer Gartenerdbeersorten keine Rolle.
Bild 1. Verteilung ausgewählter Fragaria-Arten. (Bei F. vesca nur Europäische und Asiatische Verteilung abgebildet) (Verändert nach Liston et al., 2014)
Elternarten
Fragaria virginiana
Fragaria virginiana (Decaisne, 1862)
Die erste Erdbeerart, die zur Entstehung der Gartenerdbeere beigetragen hat, ist die Scharlacherdbeere. Diese Art wurde bereits von den Ureinwohnern Nordamerikas geschätzt und sowohl roh als auch in verschiedenen Gerichten verwendet. Die Scharlacherdbeere hat kleine Früchte, die sauer, aber aromatisch schmecken. Die Frucht hat eine kugelförmige Form mit tiefsitzenden Nüsschen und rotem Fruchtfleisch. Die Blütezeit fällt auf April und Mai, und die Früchte reifen als eine der ersten Erdbeerarten. Die Blätter sind glatt, relativ dick und haben eine mittel- bis dunkelgrüne Farbe. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung können wilde Scharlacherdbeeren sehr unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Je nach ihrer geografischen Herkunft können sie unter anderem eine hohe Toleranz gegenüber extrem niedrigen Temperaturen oder auch Dürre aufweisen.
Fragaria virginiana (Poiteau et al., 1846)
Fragaria virginiana (Poiteau et al., 1846)
Fragaria chiloensis
Fragaria chiloensis (Decaisne, 1862)
Die zweite der beiden Elternarten ist die Chile-Erdbeere. Diese Pflanzenart ist in Süd- und Nordamerika beheimatet und wurde bereits von den Ureinwohnern der Region gesammelt und genutzt. Im Vergleich zur Scharlacherdbeere sind die Früchte der Chile-Erdbeere größer und fester. Die Samen der Chile-Erdbeere sitzen im Vergleich zur Scharlacherdbeere fast auf der Frucht. Das Fruchtfleisch ist weiß mit einer blassrosa bis bräunlich-roten Farbe. Die Blätter der Chile-Erdbeere sind dunkelgrün, besonders dick und oft lederig glänzend. Sie können jedoch auch dicht behaart sein.
Die Chile-Erdbeere hat mehrere typische Biotope:
Zum Beispiel wächst sie in den Küstenregionen direkt am Strand in den Sanddünen, was sich auch in ihrem englischen Namen „beach strawberry“ widerspiegelt. Sie kann jedoch auch in höheren Berglagen bis zu 1500 Metern gedeihen. Diese Pflanzenart kann je nach ihrer Herkunft sehr unterschiedliche Eigenschaften wie Trockentoleranz und Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Tageslängen aufweisen.
Oben: Fragaria chiloensis (Decaisne, 1862)
Rechts: Fragaria chiloensis (Poiteau et al., 1846)
Frankreich, Gärten, Gärtner
Louis XV – Hyacinthe Rigaud 1730
Übersichtsplan von Versailles mit Park, Schloss, Gärten, Springbrunnen, Bosketten und Stadt – Nicolas de Fer/Chales Inselin 1700
Die heutige Gartenerdbeere entstand durch die Kreuzung dieser beiden Elternarten unter der Hand des Menschen. Bereits im Jahr 1624 wurde die Scharlacherdbeere von Jean Robin, dem Botaniker von Louis XIII von Frankreich, erwähnt. Obwohl sie in mehreren europäischen Ländern angebaut und gezüchtet wurde, zeigten die resultierenden Sorten wenig Variation und die Früchte blieben relativ klein. Erst die Einführung der Chile-Erdbeere nach Europa, mehr als hundert Jahre später, führte zu einer bedeutenden Veränderung in der Erdbeerzüchtung.
Der Seeoffizier Frézier bereiste Chile im Auftrag der französischen Regierung und entdeckte dort die einheimische Chile-Erdbeere sowohl in wilder als auch in kultivierter Form. Beeindruckt von ihrem Geschmack und ihrer Anpassungsfähigkeit beschloss er, einige Pflanzen nach Frankreich zu bringen. Im Jahr 1714 brachte er fünf Chile-Erdbeerpflanzen nach Europa. Da diese Pflanzen ausschließlich weiblich waren, trugen sie jahrelang keine Früchte. Diese und weitere Chile-Erdbeerpflanzen wurden von Gärtnern, Sammlern und Botanikern in ganz Europa verbreitet und führten durch spontane Kreuzung mit der Scharlacherdbeere zur Entstehung der Gartenerdbeere. Diese Pflanzen waren ihren Elternarten gartenbautechnisch überlegen und produzierten große und schmackhafte Früchte. Es dauerte jedoch bis 1766, um zu erkennen, dass es sich um eine Hybridart handelte.
Blick auf das Schloss von Versailles und die Gärten von der Avenue de Paris in 1668 – Pierre Patel 1668
Antoine Duchesne (Bunyard, 1917)
Ein bedeutendes Ereignis fand auch in den königlichen Gärten von Versailles unter Louis XV statt. Der französische König hatte ein besonderes Interesse an Wissenschaft, insbesondere an Botanik, und beauftragte seinen königlichen Botaniker, Bernard de Jussieu, alle in Frankreich angebauten Pflanzenarten in den Trianon-Garten in Versailles zu bringen. In diesem Garten lernte Jussieu den jungen Antoine Nicolas Duchesne kennen, den Sohn des Verwalters der königlichen Anlagen, und zeigte ihm seine Arbeit in der großen Sammlung. Duchesne beeindruckte den König bereits im Alter von siebzehn Jahren mit einem Topf Chile-Erdbeeren mit Früchte, die zuvor noch nie Früchte getragen hatten. Er bestäubte sie selbst mit einer Moschuserdbeere. Nach dieser Szene erhielt er die Erlaubnis, den Trianon-Garten mit allen in Europa bekannten Erdbeerarten zu erweitern. Hier führte er seine Experimente mit der Bestäubung verschiedener Arten durch und vermutete als erster, dass die Gartenerdbeere das Ergebnis einer Kreuzung von Scharlacherdbeere und Chile-Erdbeere ist.
Geschichte in Deutschland
Im Laufe der Zeit wurde die Gartenerdbeere immer beliebter und fand ihren Weg in die Gärten und Bauernhöfe vieler Länder. Im Jahr 1751 ließ König Georg II. von Hannover die ersten großfruchtigen Erdbeeren in den Anlagen der Orangerie und im Küchengarten von Hannover-Herrenhausen anpflanzen. Im darauf folgenden Jahr konnten die ersten Früchte geerntet werden. Erst mehr als hundert Jahre später, im Jahr 1870, brachte der erste deutsche Erdbeerzüchter, Gottlieb Göschke, der Kunstgärtner des Herzogs von Anhalt, die ersten Erdbeerneuzüchtungen aus Köthen auf den Markt. Auch seine Söhne Alfred und Franz trugen als Züchter zur Entwicklung deutscher Erdbeersorten bei. Weitere bedeutende Züchter aus dieser Zeit waren Johannes Böttner aus Frankfurt Oder und Professor Otto Schindler aus Pillnitz.
Im Jahr 1942 brachte Professor von Sengbusch mehrere wichtige Sorten auf den Markt, darunter die bekannteste Sorte Senga Sengana. Seine Züchtungsarbeit war besonders geprägt von den Anforderungen der aufkommenden Tiefkühlobst-Industrie.
Auch in der DDR wurden bedeutende Züchtungsaktivitäten im Institut für Acker- und Pflanzenbau in Müncheberg durchgeführt.
Züchtung
Ab dem 18. Jahrhundert wurden in den Vereinigten Staaten und Europa verschiedene Sorten von Gartenerdbeeren gezüchtet, die sich in Größe, Farbe und Geschmack unterschieden. Viele dieser Sorten sind heute noch bekannt und werden weiterhin angebaut.
Ein bedeutender Fortschritt in der Kultivierung der Gartenerdbeere war die Entdeckung natürlicher Variationen und die Entwicklung von Vermehrungstechniken für die Pflanzen. Durch die Entdeckung von Mutationen und den Einsatz von Selektionsverfahren konnten Züchter gezielt Sorten mit gewünschten Eigenschaften wie größerer Fruchtgröße, verbessertem Geschmack und Krankheitsresistenz entwickeln.
Im 20. Jahrhundert setzte sich die Züchtung und Verbesserung von Gartenerdbeeren fort. Es wurden neue Sorten entwickelt, die widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge waren und sich besser für den kommerziellen Anbau eigneten. Mit der Einführung von Technologien wie Gewächshäusern und Bewässerungssystemen konnten Gartenerdbeeren das ganze Jahr über angebaut und gehandelt werden.
Heute ist die Gartenerdbeere eine der beliebtesten Früchte weltweit. Sie wird nicht nur frisch verzehrt, sondern auch zu Marmeladen, Kuchen, Eiscreme und anderen Desserts verarbeitet. In vielen Ländern gibt es sogar Erdbeerfestivals, bei denen die Frucht gefeiert wird.
Die Geschichte der Gartenerdbeere ist ein faszinierendes Beispiel für die Züchtung und Entwicklung von Nutzpflanzen durch den Menschen. Durch gezielte Kreuzung und Selektion haben Züchter, Gärtner und Botaniker eine Frucht geschaffen, die uns mit ihrem süßen und aromatischen Geschmack erfreut. Die Gartenerdbeere wird sicherlich auch in Zukunft eine wichtige Rolle in unseren Gärten und auf unseren Tellern spielen.
Fragaria vesca (Decaisne, 1862)
Vor der Gartenerdbeere
Bevor die Gartenerdbeere in der 18. Jahrhundert in Europa erschien, wurden auf dem Kontinent zwei einheimische Erdbeerarten angebaut und verkauft: die Walderdbeere (F. vesca) und die Moschus-Erdbeere (F. moschata).
Walderdbeere
Fragaria vesca (Decaisne, 1862)
Die Walderdbeere oder Monatserdbeere (F. vesca) ist eine diploide Art, die sich aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit in verschiedenen Regionen der Welt erfolgreich etabliert hat. Ihre Verbreitung erstreckt sich über ganz Europa, Nordasien, Nordamerika und Nordafrika. Man findet sie sogar in den höheren Lagen der Gebirge der Westindischen Inseln, Mexikos und Südamerikas. Obwohl sie genetisch nicht sehr variabel ist, ist die Walderdbeere aufgrund ihrer oben genannten Anpassungsfähigkeit die am häufigsten vorkommende Art der Gattung Fragaria.
Die Pflanzen sind aufrecht und erreichen eine Höhe von 15-30 cm. Sie vermehren sich durch Ausläufer. Die Blätter sind dünn, hellgrün und haben schlanke Blattstiele. Sowohl die Blattstiele als auch die Blütenstiele sind leicht behaart, der Blütenstand ist klein und steht meist über den Blättern. Die Blüten sind etwa 1,3 cm im Durchmesser und zwittrig. Die Frucht der Walderdbeere ist halbkugelförmig, äußerst weich und hat ein starkes Aroma. Die Samen sind klein und auffällig, während der Kelch weit ausgebreitet und aufwärts gerichtet ist.
Fragaria vesca (Decaisne, 1862)
Walderdbeeren wurden traditionell eher aus Wildbeständen gesammelt als großflächig angebaut. Allerdings wurden sie ab dem 16.Jahrhundert als Zier- und Obstpflanze in Gärten gepflanzt. Die Verwendung der Walderdbeere in der Küche ist vielseitig. Obwohl die Beeren kleiner als die der Gartenerdbeere sind, sind sie dennoch außerordentlich aromatisch und eignen sich hervorragend für Desserts, Konfitüren und frische Fruchtsalate. Bei der Herstellung von Konfitüren ist zu beachten, dass die Nüsschen einen Stoff enthalten, der erst nach einigen Minuten Kochen bitter wird. Deshalb ist es empfehlenswert, für Konfitüren noch andere Fruchtarten beizumischen. Die traditionelle
Verwendung in der Volksmedizin zur Behandlung von Magen-Darm-Beschwerden und zur Stärkung des Immunsystems bestätigt zusätzlich ihren Wert.
Fragaria vesca subsp. semperflorens (Poiteau et al., 1846)
Moschuserdbeere
Die Moschuserdbeere oder Zimt-Erdbeere (F. moschata) ist eine hexaploide Art, die in Wäldern, unter Sträuchern, an schattigen Stellen und in hohem Gras wächst. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Skandinavien und dem atlantischen Europa bis nach Russland und Osteuropa.
Fragaria moschata (Decaisne, 1862)
Die Pflanzen sind kräftig, 10-40 cm hoch und haben nur wenige oder keine Ausläufer. Sie sind zweihäusig, aber die kultivierten Sorten sind meist zwittrig. Die Blätter der Moschuserdbeere sind breit, rhombisch, stark geädert und stark behaart. Der Blütenstand ragt hoch über dem Laub hervor, und die Blüten sind groß, etwa 2-2,5 cm im Durchmesser. Die Früchte sind im Vergleich zur Walderdbeere größer und können von hellrot bis dunkel bräunlich oder violettrot, manchmal auch grünlich-rot variieren. Sie sind unregelmäßig-rundlich bis eiförmig und weisen ein starkes weiniges oder moschusartiges Aroma auf. Ähnlich wie bei den Früchten der Walderdbeere sind die Nüsschen aufsitzend und die Kelchblätter nach oben ausgerichtet.
Sie wird seit dem 16. Jahrhundert in Europa aufgrund ihres charakteristischen, weinig-süßen Geschmacks angebaut, allerdings wurde sie nicht in allen Ländern gleichmäßig geschätzt. In Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien war sie beliebter als in Frankreich, wo sie in manchen Quellen als Unkraut erwähnt wird. In Vierlande bei Hamburg war die Moschuserdbeere
sogar bis zum späten 19. Jahrhundert die meistangebaute Erdbeerart.
Fragaria moschata (Poiteau et al., 1846)
Die Früchte erinnern mit ihrem leicht moschusartigen Geschmack an Muskatellertrauben. Bei einigen Sämlingen kann dieser Geschmack so intensiv sein, dass die Früchte als ungenießbar gelten. Insgesamt ist die Moschuserdbeere eine bemerkenswerte Erdbeerart mit einzigartigem Aroma und wird seit langem wegen ihrer außergewöhnlichen Früchte angebaut.
Fragaria moschata (Poiteau et al., 1846)
Alte Sorten
(Bunyard, 1917)
Alte Gartenerdbeersorten verkörpern den nostalgischen Charme vergangener Zeiten und erinnern uns an traditionelle Geschmackserlebnisse. Vor der Entstehung moderner Erdbeersorten waren diese historischen Sorten in den Gärten und Obstplantagen weit verbreitet. Mit ihrer einzigartigen Vielfalt an Formen, Farben und Aromen bieten sie einen faszinierenden Einblick in die Entwicklung der
Erdbeerkultur.
Im Gegensatz zu den heutigen großfruchtigen, oft auf Transport und Haltbarkeit optimierten Sorten, zeichnen sich alte Sorten durch ihren intensiven Geschmack und ihr ansprechendes Erscheinungsbild
aus. Einige Sorten sind klein, saftig und aromatisch, während andere mit ihren ungewöhnlichen Farben wie Weiß oder Gelb und selteneren Formen faszinieren.
Der Anbau alter Sorten gewinnt wieder an Beliebtheit, da immer mehr Menschen die einzigartigen Geschmacksnuancen, die bessere Anpassung an lokalen Anbaubedingungen und die Verbindung zur
Natur schätzen. Diese alten Sorten erinnern uns an die reiche Geschichte der Erdbeerkultivierung und ermöglichen es uns, das einzigartige Aroma und die Schönheit vergangener Zeiten in unseren
heutigen Gärten zu genießen.
Alte Sorten – eine Auswahl
- Amazone
- Aprikose
- Direktor Paul Wallbaum
- Dresden
- Georg Soltwedel
- Herbstfreude
- Herzbergs Triumph
- Inge Sturm
- Jucunda
- Kaisers Sämling
- Königin Luise
- Lucida perfecta
- Macherauchs Frühernte
- Panther
- Papa Lange
- Rheingold
- Sieger
- Weiße Ananas
- Zarathustra
Verlorene Sorten
Der Verlust einiger alter Erdbeersorten und anderer Kulturpflanzensorten ist eine bedauerliche Tatsache. Diese historischen Sorten besaßen oft einzigartige Eigenschaften, die im Zuge der intensiven Züchtung moderner Sorten allmählich verloren gingen. Mit ihrer Vielfalt an Geschmack, Farben, Formen und Anpassungsfähigkeit spielten sie eine entscheidende Rolle für die genetische Diversität und waren ein lebendiges Zeugnis unserer landwirtschaftlichen Geschichte.
Der Verlust alter Sorten bedeutet auch einen Verlust an traditionellem Wissen und kulturellem Erbe. Viele dieser Sorten waren eng mit den lokalen Gemeinschaften verbunden und hatten einen festen Platz in regionalen Traditionen und kulinarischem Gebrauch. Ein Beispiel dafür ist die kleinfrüchtige Walderdbeersorte ‚Ruhm vom Döbelitz‘, die um die Jahrhundertwende in Schlesien traditionell für Erdbeerbowle in Gastwirtschaften verwendet wurde. Das Verschwinden alter Sorten könnte auch bedeuten, dass wichtige genetische Ressourcen für die Anpassung an klimatische Veränderungen oder Schädlinge verloren gehen.
Der Schutz und die Erhaltung dieser alten Sorten sind von entscheidender Bedeutung, um die Biodiversität zu bewahren und zukünftigen Generationen Zugang zu einer breiten Palette von schmackhaften und widerstandsfähigen Pflanzen zu ermöglichen. Neben Genbanken und
Erhaltungsgärten spielen Initiativen für die Wiedereinführung in Privatgärten eine wichtige Rolle bei der Rettung und Wiederbelebung dieser wertvollen Kulturpflanzensorten. Indem wir ihre Bedeutung erkennen und sie schützen, können wir dazu beitragen, die kostbare Vielfalt unserer
Nahrungsmittellandschaft zu bewahren und die Geschichte und Kultur hinter diesen Pflanzen lebendig zu halten.
Die folgenden Sorten sind einige Beispiele, die zur Zeit in keiner Genbank oder Sortensammlung erhalten werden und damit als ‚verloren‘ gelten. Es besteht aber immer noch die Möglichkeit, sie zum Beispiel in Privatgärten zu finden.
Verlorene Sorten – eine Auswahl
Projektbeschreibung
In der Vergangenheit wurde Beerenobst im südlichen Brandenburg, wie im ganzen Deutschland, in Form hoch angepasster, regionaler Sorten angebaut. Dies wurde inzwischen im konventionellen Anbau in ganz Europa auf eine geringe Anzahl von Sorten eingeschränkt. Die darauf eingestellten Vermehrungsketten reduzierten auch die verfügbare Sortenwahl für kleinteilige und regionale Versorger. Die existierende und potentiell nutzbare Biodiversität von Beerenobst wird im Erwerbs- und Privatgartenbau daher nicht ausgeschöpft. Die Zukunft eines wichtigen regionalhistorischen Erbes ist daher nicht gesichert bzw. weiter auf die Vorhaltung in pflanzengenetischen Sammlungsbeständen angewiesen.
Das hier gestartete Projekt erstellt einen arbeitsfähigen, umsetzbaren Plan zur Wiedereinführung ausgewählter Herkünfte durch die praxisnahe Zusammenarbeit von Sammlungen, Vermehrern, Anbauern und Vermarktern von Beerenobst.
Das Projekt betrifft die Bereiche Tafel- und Verarbeitungsobst ausgewählter Beerenobstarten und –sorten unter Beteiligung sowohl des marktorientierten wie des selbstversorgenden Gartenbaus auf regionaler Ebene.
Abgedeckt werden u. a.:
- die Einführung besser klimaangepasster Nutzpflanzen in den Betriebsanbau,
- Insektenschutz durch Förderung spezieller Anbausysteme und Wirtschaftsweisen durch die Erhaltung alter Sorten,
- Regionalisierung von Wertschöpfungsketten durch Kultivierung regional angepasster Sorten,
- eine zielorientierte Kooperation zwischen Anbauern und Sortensammlungen.
Am Vorhaben beteiligt sind Vertreter aller oben genannter Bereiche mit bereits einschlägigen Vermehrungs- und Anbauerfahrungen. Die hier umgesetzte Phase 1 umfasst eine Konzeptentwicklung mit:
- der Evaluierung vorhandener regionaler Sortimente,
- Klärung notwendiger Methoden und Schritte für den Übergang vorhandenen Sammlungsmaterials zu geeigneten Vermehrungsbetrieben,
- Recherche der möglichen Interessenten von Vermehrungs- und Anbaubetrieben, sowie der rechtlichen Rahmenbedingungen und Normen bei der Inverkehrbringung und Vermarktung,
- Erkundung der Anforderungen festgelegt durch phytosanitäre Vorgaben und Notwendigkeiten.
In der nachfolgenden Konzeptumsetzung sollen die erarbeiteten Handlungsschritte kooperativ umgesetzt und die Vermehrungs- und Vermarktungsketten ausgebaut werden.
Projektpartner
- VERN e.V., Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen
- Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an Obst, Koordinationsstelle der Deutschen Genbank Obst (DGO)
- KERNGEHÄUSe e.V in der Niederlausitz
- Gartenbauverband Berlin-Brandenburg e.V.
- Obst- und Gartenbauverein e.V. Hohenleipisch
- Barnimer Baumschulen Biesenthal
- Hoffnungstaler Werkstätten
Mitmachangebote
Willkommen zum aufregenden Mitmachprojekt zur Wiedereinführung alter Erdbeersorten! Als Hobbygärtner haben Sie die einzigartige Möglichkeit, an diesem spannenden Vorhaben teilzunehmen und zur Bewahrung wertvoller Kulturpflanzensorten beizutragen.
Unser Projekt zielt darauf ab, historische Erdbeersorten, die im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten sind, wieder zum Leben zu erwecken. Sie werden die Chance haben, Senker dieser besonderen Sorten zu erhalten und in Ihrem eigenen Garten anzubauen. Dabei können Sie die
einzigartigen Aromen, Farben und Formen dieser alten Erdbeeren entdecken und wiederentdecken.
Als Teilnehmer dieses Mitmachprojekts werden Sie nicht nur dazu beitragen, die genetische Vielfalt zu erhalten, sondern auch einen Beitrag zur Erforschung und Dokumentation dieser historischen Schätze leisten. Wir möchten Sie ermutigen, falls Sie Informationen über alte Sorten haben – sei es, dass eine bestimmte Sorte traditionell in Ihrer Region angebaut wurde oder Sie wissen, wo eine Sorte noch zu finden ist –, uns diese mitzuteilen. Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen sind von unschätzbarem Wert für unser Vorhaben.
Machen Sie mit und lassen Sie uns gemeinsam die Vergangenheit ehren und eine lebendige Zukunft für alte Erdbeersorten gestalten! Jeder kann einen Unterschied machen, und wir freuen uns darauf, dieses aufregende Abenteuer mit Ihnen zu teilen.
Literatur
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